Wie ist das mit den "Magenschonern"? (PPI)

Die Diagnose Fibromyalgie wird möglicherweise zu häufig gestellt. In einer Studie aus den USA entsprachen in einer Nachuntersuchung nur knapp 40 Prozent der Diagnosen den festgelegten Kriterien.

Von Elke Oberhofer

 

Die Diagnose Fibromyalgie ist nicht immer ganz einfach zu stellen.

CHAPEL HILL. Obwohl es sich bei Fibromyalgie um eine relativ häufige Diagnose handelt, scheint es doch Unsicherheiten darüber zu geben, wann man dieses Krankheitsbild attestieren soll. Das legen Ergebnisse einer Kohortenstudie aus den USA nahe (Pain Medicine 2018; 19: 491–498). Dr. Paul Chelminski von der University of North Carolina und sein Team haben die Diagnosen von 52 ambulanten Patienten der allgemeinmedizinischen Klinik (General Medicine Pain Service) an der University of North Carolina überprüft, die wegen nichtmaligner chronischer Schmerzen in Behandlung waren. Als Maßstab für die Fibromyalgie-Diagnose galten die Kriterien des American College of Rheumatology (ACR).

Definition 2010 überarbeitet

Das ACR hat im Jahr 1990 erstmals eine Fibromyalgie-Klassifikation erarbeitet. Danach wurde der Zustand definiert als eine Kombination folgender Kriterien: ausgedehnte Schmerzen in mehreren Körperregionen über eine Dauer von mindestens drei Monaten in Verbindung mit Druckschmerzempfindlichkeit, wobei mindestens 11 von 18 sogenannten Tenderpoints auf eine digitale Palpation hin empfindlich reagieren sollen.

2010 wurde diese Definition überarbeitet. Dabei wich man von den Tenderpoints wieder ab und legte den Fokus auf qualitative Aspekte wie Fatigue, Schlafqualität, Kognition, Vielfalt der Symptome und Schmerzgeneratoren (s. auch Definition der Fibromyalgie in der deutschen S3-Leitlinie von 2017).

Die Autoren verglichen die 26 Patienten mit der Arbeitsdiagnose "Fibromyalgie" (FM) mit 26 nach Alter und Geschlecht angepassten Kontrollpatienten, die zwar Schmerzen, aber keine Fibromyalgie-Diagnose aufwiesen. Das mittlere Alter der Teilnehmer lag bei 53 Jahren.

Den alten ACR-Kriterien von 1990 entsprachen aus der FM-Gruppe nur drei Patienten (11,5 Prozent). In der Kontrollgruppe war es keiner. Wurde die überarbeitete Version von 2010 als Maßstab angelegt, stieg der Anteil bei den FM-Patienten auf immerhin 38,5 Prozent. Bemerkenswerterweise erfüllten auch 46,1 Prozent der Kontrollpatienten die überarbeiteten ACR-Kriterien.

Beim Pain Disability Index (PDI) unterschieden sich die beiden Gruppen nur minimal. Nicht signifikant war auch der Unterschied bezüglich bestehender psychiatrischer Diagnosen. In beiden Gruppen lag bei etwa drei Vierteln der Teilnehmer eine diagnostizierte Depression vor. Insgesamt fanden sich Depressionen bei 44,4 Prozent und Angststörungen bei 27,3 Prozent aller Patienten. Der einzige relevante Unterschied zwischen den Gruppen betraf die Zahl der Tenderpoints aus der alten ACR-Klassifikation: Diese betrug 5,6 (FM-Patienten) gegenüber 3,2 (Kontrollen).

Die Autoren raten daher, grundsätzlich alle Patienten, denen man die Arbeitsdiagnose "Fibromyalgie" zugeschrieben habe, einer erneuten Beurteilung zu unterziehen, um sicherzugehen, dass sie eine korrekte Diagnose und eine angemessene Therapie erhalten. Gerade in der allgemeinärztlichen Praxis sei die FM-Diagnose "wahrscheinlich überstrapaziert", vor allem, wenn kein Rheumatologe hinzugezogen wurde. Als mögliche Ursachen für die Beschwerden kämen schließlich auch Erkrankungen wie das myofasziale Schmerzsyndrom, eine Arthrose oder eine entzündlich-rheumatische Erkrankung infrage.

Nach Chelminski und Kollegen stellt die Studie allerdings auch die Validität der neuen ACR-Kriterien infrage (obwohl die Teilnehmerzahl sehr gering war). Ob diese wirklich als Diagnostikgrundlage taugen, müssten künftige Studien zeigen.

Präzisere Diagnostik

Für den niedergelassenen Arzt müsse jedenfalls das Ziel sein, die "negativen Auswirkungen", die das Label "Fibromyalgie" für den Patienten habe, zu minimieren. "Mit einer präziseren Diagnostik sollte es möglich sein, dem Patienten bessere Therapieoptionen anzubieten, mit adäquater Analgesie, Besserung auch der Begleitsymptome und einem angemessenen Management möglicher psychiatrischer Begleiterkrankungen."

Morphinhaltige Präparate oder NSAR werden bei Fibromyalgie nicht empfohlen. Die damit verbundenen Schmerzen werden bei entsprechender Begleitsymptomatik möglicherweise eher durch Antidepressiva wie Duloxetin oder Amitriptylin oder auch durch Pregabalin gelindert. Das Verfahren mit dem größten Nutzen ist jedoch gemäß der deutschen S3-Leitlinie ein moderates Ausdauertraining.

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