Opiate lindern Arthrose- und Rückenschmerzen nicht besser als andere Analgetika 13.3.2018

von Michael Simm

  • Studien – kurz & knapp 13.03.2018

Kernbotschaften

Bei chronischen Rückenschmerzen sowie bei Hüft- oder Kniearthrose wirken Opioide auf die Schmerz-verwandte Funktion nicht besser als andere Substanzklassen. Die Schmerzintensität wurde durch Nicht-Opioide sogar signifikant stärker gelindert, außerdem hatten andere Schmerzmittel wie Acetaminophen oder nicht-steroidale Substanzen weniger Nebenwirkungen.

Hauptergebnisse

  • Zwischen den Patientengruppen, die Opioide bzw. Nicht-Opioide erhielten, gab es nach 12 Monaten bezüglich der Schmerz-verwandten Funktion keinen signifikanten Unterschied (P=0,58) Die Werte lagen auf der zehn Punkte umfassenden BPI-Interenzskala bei 3,4 bzw. 3,3.
  • Bei der Schmerzintensität auf der BPI-Skala ging es den Patienten, die nicht-opioide Medikamente erhalten hatten, nach 12 Monaten signifikant besser (P=0,03). Hier betrugen die Werte 4,0 (Opioide) bzw. 3,5 (Nicht-Opioide).
  • Arzneimittel-bedingte Symptome traten unter Opioiden im Verlauf von 12 Monaten signifikant häufiger auf (P=0,03), der Mittelwert lag hier bei 1,8 gegenüber 0,9 für nicht-opioide Arzneien.

Design

  • Randomisierte Studie mit verblindeter Auswertung der Ergebnisse bei 240 US-Veteranen im mittleren Alter von 58,3 Jahren, die trotz Analgetika-Gebrauch unter moderaten bis schweren chronischen Rückenschmerzen oder Osteoarthrose-bedingten Schmerzen der Hüften und der Knie litten.
  • Zielgerichtete Behandlung zur Linderung der Schmerzen und Verbesserung der Funktion mit unterschiedlichen 3-stufigen Verschreibungsstrategien: In der Opiod-Gruppe war der erste Schritt Morphin, Oxycodon oder Hydrocodon/Acetaminophen, in der Nicht-Opiod-Gruppe stattdessen Acetaminophen oder eine nichtsteroidale antiinflammatorische Substanz (NSAID). Bei Bedarf wurden Arzneien aus der jeweiligen Gruppe abhängig von der Reaktion der Patienten geändert, hinzugefügt oder in der Dosis angepasst.
  • Hauptziel der Studie war die Schmerz-verwandte Funktion (Brief Pain Inventory interference Scale) über 12 Monate, das zweitwichtigste Zielkriterium die Schmerzintensität, jeweils gemessen auf einer Skala von Skala 0 – 10 (höhere Werte bedeuten schlechtere Funktion/größere Schmerzen). Ebenfalls erfasst wurden die Arzneimittel-bedingten Symptome anhand einer 19-teiligen Checkliste, die von den Patienten ausgefüllt wurde.
  • Finanzierung: US Department of Veterans Affairs Health Services Research and Development Service.

Klinische Bedeutung

Sind Opioide notwendig, um chronische Rückenschmerzen und Schmerzen durch Osteoarthrose der Hüfte und der Knie erfolgreich behandeln, oder lassen sich mit Alternativen wie Acetaminophen und NSAID ähnlich gute Ergebnisse erzielen? Angesichts einer wahren Epidemie von Opioidabhängigkeit, die sich derzeit in den USA ausbreitet, ist dies eine Frage von erheblicher Praxisrelevanz. Die Studienergebnisse beantworten die Frage recht eindeutig: Opioide erzielten gegenüber Nicht-Opioiden im Zeitraum von 12 Monaten keine bessere Schmerzlinderung. Die Autoren raten deshalb davon ab, eine Therapie in den genannten Indikationen mit Opioiden zu beginnen. Als Reservemedikamente aber seien sie nicht auszuschließen

Krebs EE et al.: Effect of Opioid vs Nonopioid Medications on Pain-Related Function in Patients With Chronic Back Pain or Hip or Knee Osteoarthritis Pain: The SPACE Randomized Clinical Trial. JAMA. 2018 Mar 6;319(9):872-882. doi: 10.1001/jama.2018.0899.

26.10.06 – Therapie chronischer Rückenschmerzen

Therapie chronischer Rückenschmerzen ist wissenschaftlich nicht gesichert

24.10.2006 – Chronische Rückenschmerzen gehören zu den teuersten Erkrankungen. Schätzungen zufolge gehen jährlich etwa 16 Milliarden Euro auf das Konto dieser Volkskrankheit. Umso erstaunlicher, dass sich Ärzte bei der Behandlung von Patienten kaum auf evidenzbasierte Daten stützen können, sondern dass die Empirie regiert.

Es gibt eine Fülle von Untersuchungen zu chronischen Rückenschmerzen. Aber von 8.000 veröffentlichten Studien bis zum Jahr 2004 waren nur 1 % randomisiert und nur 17 % prospektiv, berichtete Prof. Dr. Peer Eysel aus Köln. Viele über Jahrzehnte gültige Paradigmen für Diagnostik und Therapie hätten keine solide wissenschaftliche Grundlage. Radiologische Untersuchungen zum Beispiel seien kaum aussagekräftig, sagte Eysel. Bei jedem dritten asymptomatischen Patienten könnten per CT oder MRT auffällige Veränderungen an der Bandscheibe gefunden werden. Konservative kausale Therapien gibt es nach Angaben von Eysel bei chronischen Rückenschmerzen nicht. Belegt sei lediglich die kurzfristige Wirksamkeit von NSAR und lokalen Infiltrationen. Alle anderen Maßnahmen inklusive Physiotherapie und Krankengymnastik seien nicht evidenzbasiert.

Der frühere Grundsatz, Patienten mit akutem Kreuzschmerz zu immobilisieren, ist heute obsolet. Die besten Ergebnisse werden laut Studien bei Patienten erzielt, die weiterhin körperlich aktiv sind, erinnerte Eysel; die schlechtesten bei Patienten, die sich so lange schonen, bis der Schmerz wieder verschwunden ist. Auch psychische Faktoren sind für den Therapieerfolg von erheblicher Bedeutung. Patienten mit Somatisierungsneigung haben ebenso eine schlechte Prognose wie Patienten, die häufig den Arzt wechseln.

Bei Patienten mit sequestriertem Bandscheibenvorfall ist eine Operation sinnvoll, sagte Eysel. Studien zufolge liegt die Erfolgsrate bei 80 % im Vergleich zu knapp 60 % bei konservativer Behandlung. Die Erfolgsraten sinken, je großzügiger die Indikation für eine OP gestellt wird.

Quelle:
Wissenschaftliches Symposium „Chronischer Rückenschmerz“, Prof. Dr. Peer Eysel, Köln;
34. Kongress der Dt. Ges. für Rheumatologie, 20. Jahrestagung der Assoziation für Orthopädische Rheumatologie, 18.-21. Oktober 2006, Wiesbaden
bearbeitet von Univadis@

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